Block 1: Nur noch Wahlkampfgetöse?

Die Bagger haben die Diskussion um Block 1 eigentlich mit endgültigem Nachdruck beendet. Dennoch geht sie weiter: Aktuell beschäftigt sich der Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags mit dem Thema. Ist der fortgesetzte Streit um einen verlorenen Häuserblock vielleicht nur noch ein früher Wahlkampf der Hagener SPD?

Ein Debattenbeitrag von Michael Eckhoff.


Die Abbrucharbeiten am Block 1 laufen längst auf vollen Touren. (Foto: Jan Eckhoff)

Wer in Wehringhausen aktuell vom Wilhelmsplatz aus auf der Lange Straße in Richtung Haspe unterwegs ist, gelangt unweigerlich zu einer der momentan größten Baustellen in Hagen: Zwischen Ewald- und Gustavstraße sind bekanntlich Abbrucharbeiten im Gange, um den berühmten „Block 1“ der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft (GWG) zu zerlegen. Diese Arbeiten sind recht weit gediehen. Mitte November wird der Block weitgehend von der Bildfläche verschwunden sein. Im Verlauf der kommenden Monate sollen hier dann – den momentanen Planungen zufolge – ein achtzügiger Kindergarten und ein Filialbau der Emil-Schumacher-Grundschule sowie eine Grünanlage entstehen.

Im Vorfeld der Abbrucharbeiten hatte es um Block 1 bekanntlich viel Ärger gegeben. Der „Initiativkreis Wehringhausen“ hatte sich für den Erhalt stark gemacht und immer wieder die Aussage getätigt, der Block sei denkmalwürdig, weil er eine besondere Form der „Reformblockarchitektur“ darstelle. Diese „Denkmal-Einschätzung“ wurde aber von den meisten Experten nie geteilt, die hierfür notwendige Unterschutzstellung ist deshalb auch nie erfolgt.

Zu guter Letzt haben sich sogar einige Wehringhauser an den Petitionsausschuss des NRW-Landtags gewandt. Dabei war der Abbruchantrag der GWG längst von allen notwendigen Bewilligungsbehörden genehmigt worden.

Die GWG ist im Übrigen weder eine Tochter der Stadt noch eine international tätige „Heuschrecke“. Sie ist ein seit rund 120 Jahren in Hagen verankertes genossenschaftliches Unternehmen, das einst von Gewerkschaftsmitgliedern mit dem Wunsch gegründet worden ist, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Diesem Ziel sind die derzeitigen Mitglieder („Genossen“) samt Geschäftsführung nach wie vor verpflichtet.

Dass der Düsseldorfer Petitionsausschuss ein derartig lokales Bauvorhaben überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt hat, ruft Erstaunen hervor. Schließlich kostet eine derartige Beschäftigung viel Zeit und somit letztlich auch viel Geld des Steuerzahlers. Am heutigen Mittwoch, 25. September 2019, gab es – was noch erstaunlicher ist – sogar einen Vor-Ort-Termin der Ausschussmitglieder.

Da taucht unwillkürlich die Frage auf, ob dies mit dem heimischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Jörg zu tun hat? Der in Wehringhausen aufgewachsene Politiker ist nicht nur Mitglied in diesem Ausschuss, sondern sollte auch als Block-1-Berichterstatter fungieren. Dabei ist er alles andere als unbefangen. Zum einen hat Jörg schon vor Monaten verdeutlicht, dass er den Abriss von Block 1 nicht gutheißt. Und zum anderen hat er vor gut einer Woche erklärt, für die SPD als Hagener Oberbürgermeisterkandidat in die Bütt zu steigen.

Mittlerweile hat auch der Ausschuss erkannt, dass hier ein ganz erheblicher Interessenkonflikt vorliegt. Jörg hat seine Berichterstatter-Funktion in Bezug auf Block 1 deshalb aufgegeben. Dass er im Hintergrund jedoch weiterhin einige „Strippen zieht“, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen.

Noch ein zweiter Aspekt lässt den „Zaungast“ staunen. Normalerweise wird Wolfgang Jörg als Landtagsabgeordneter nicht müde, eine bessere Ausstattung mit Kindergartenplätzen zu fordern. Nun soll in seiner Heimat einer der größten Kindergärten Nordrhein-Westfalens entstehen, aber ausgerechnet Jörgs SPD hat in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, den vorgesehenen Kita-Neubau an der Lange Straße in Frage zu stellen.

Da fragt sich der Chronist: Gehört dies bereits zum OB-Walkampfgetöse? Oder spielt der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Rudel hierbei eine unrühmliche Rolle, der früher mal auf der „Lohnliste“ der GWG gestanden hat, aber mittlerweile eben nicht mehr? Sei’s drum. Seltsam mutet es auf jeden Fall an.

Dabei ist Block 1 überhaupt kein neues „Problemthema“.

Zunächst zeigte sich schon vor Jahren ein enormer Leerstand in Wehringhausen, er ist auch heute noch an vielen Stellen vorhanden. Ein Gutachten aus dem Jahr 2017 empfiehlt für Gesamt-Hagen gar den Rückbau von etwa 3500 Wohnungen. Das heißt, dass – käme man diesem Vorschlag nach – etwa 350 Wohnungen jährlich vom Markt verschwinden müssten, sofern man in zehn Jahren die Ziele des Gutachtens erreichen möchte. Im Block 1 sind gerademal um die 100 Wohnungen betroffen.

Das zweite Problem ist, dass viele Wohnungen im Stadtteil nicht mehr zeitgemäßen Standards entsprechen, aber nur schwer und lediglich mit hohem Kostenaufwand umgebaut werden könnten. Im Fall von „Block 1 würde ein solcher Umbau mit Aufzügen, heutigem Brandschutz, Dämmungen, Balkonen usw. zu sehr hohen Mieten führen – mit zehn Euro pro Quadratmeter hätte man aktuell zu rechnen. Das ist aber für die meisten GWG-Mitglieder – das Unternehmen ist eine Genossenschaft mit hauptsächlich „kleinen Leuten“ unter den Genossen – nicht bezahlbar. Obendrein befindet sich dieser Block an Bahnstrecken, wäre also auch schon deshalb nicht zu Preisen „wie auf Emst“ vermietbar.

Das nächste Problem ist, dass es im zentralen Bereich von Wehringhausen an Einkaufsmöglichkeiten und an Kindergartenplätzen mangelt. Insbesondere bei Kita-Plätzen mit U3-Betreuung hat sich dieser Bedarf enorm gesteigert.

Planten Stadt Hagen und GWG ursprünglich eine Vier-Gruppen-Kita, ist längst von einer achtzügigen Einrichtung die Rede. Neue Grundschulräumlichkeiten sind ebenfalls dringend vonnöten. Die Idee von GWG und Stadt Hagen setzt genau hier an: Es kann anstelle von Block 1 ein zeitgemäßes Bildungszentrum entstehen, dass auch der Integration der Zuwanderer-Kinder dienen würde. Warum Wolfgang Jörg und die SPD nicht mitziehen, ist kaum verständlich.

GWG und Stadt Hagen haben bereits Mitte 2013 erste Gespräche wegen eines angedachten Abrisses von Block 1 geführt. Damals wünschte sich der seinerzeitige Stadtbaurat Thomas Grothe (SPD), den Handelsriesen Aldi von der B7 aus stärker ins Zentrum zu holen. Diese Idee wurde dann zunächst jedoch nicht weiterverfolgt. Drei Jahre später befürwortete der städtische Fachbereich Jugend und Soziales einen Kita-Neubau an der Lange Straße. Nun kam die Angelegenheit endgültig ins Rollen. Anfänglich wurde – neben der Kita – weiterhin der von vielen Wehringhausern ersehnte wohnortnahe Supermarkt favorisiert, da dieser aber hier nicht gebaut werden kann, rückte bei Stadt und GWG der zweite Plan in den Mittelpunkt: die Errichtung einer Schule.

Der jetzt erfolgende Abriss von Block 1 ist die logische Konsequenz aus allen beschriebenen Problemen und Bedürfnissen.

Doch obwohl Block 1 fast schon „Geschichte“ ist und alles legal zugegangen ist, gab es am heutigen Mittwoch einen Lokaltermin des Petitionsausschusses an der Lange Straße. Wahlkampfgetöse?