Tempo 30 am Buschey: Gut für Gesundheit und Klima

Britta Faust setzt sich für eine Geschwindigkeitsbegrenzung am Buschey und der Eugen-Richter-Straße ein. (Foto: Jan Eckhoff)

Wenn sie sagt, dass Lärm krank macht, dann weiß Britta Faust, wovon sie redet. Schließlich hat die gelernte Hörakustikerin bis vor wenigen Jahren sieben entsprechende Fachgeschäfte in Hagen und umliegenden Städten geleitet.

Doch Britta Faust kennt Probleme mit Lärm nicht nur aus fachlicher Hinsicht, wohnt die Wehringhauserin doch an der Buscheystraße. Und dort ist die Belastung durch den Straßenverkehr enorm hoch. „Wirklich mit dem Thema beschäftigt habe ich mich aber erst 2009, als bei der Hagener Gesundheitskonferenz die erste Lärmkartierung vorgestellt wurde“, gibt Faust zu. „Da wurde mir klar, wie laut das hier eigentlich ist. Besonders wenn man weiß, was Lärm so alles anstellen kann.“ Denn dauerhafte Lärmbelastungen von bereits 25 Dezibel (db) können Konzentration und Schlaf nachhaltig stören, ab einer stetigen Belastung von 60 db sind das Stresslevel und damit auch Blutdruck und Puls dauerhaft erhöht, es drohen ernsthafte gesundheitliche Probleme, wie etwa ein größeres Risiko für Herzinfarkte. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) birgt Straßenlärm schon ab 53 db ein Gesundheitsrisiko.

Und die Belastung in Wehringhausen liegt deutlich darüber. „Direkt an der Straße wurden über 75 db gemessen. In einem beruflichen Umfeld müsste man da schon Lärmschutz tragen. Und selbst in den Seitenstraßen liegt der Wert noch weit über 60. Das verursacht Hörschäden.“ Eine Temporeduzierung könne hier schon viel bringen. Faust: „Wenn das Tempo von 50 auf 30 km/h sinkt, reduziert sich die Belastung um 2 oder 3 db. Das klingt wenig, aber der Schalldruck wird in Potenzen berechnet. Es bedeutet also eine Reduzierung der Belastung um ein Drittel. Dazu kommt die Psychoakustik: Lärmquellen, die ich nicht beeinflussen kann, wirken besonders belastend. Verkehrslärm ist etwas ganz anderes als laute Musik, die ich mir selber aussuche.“

Empfehlung seit 2014

So hat folgerichtig die Stadt Hagen auch schon 2014 in ihrem „Lärmaktionsplan Stufe II“ fünf Straßen im gesamten Stadtbezirk Mitte identifiziert, an denen der Lärm dringend reduziert werden soll – darunter eben Buscheystraße und Eugen-Richter-Straße. Als Maßnahme wurde eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h empfohlen.

Eine dringende Empfehlung, die auch 2015 im „Masterplan Verkehr für die Soziale Stadt Wehringhausen“ durch das beauftragte Planungsbüro wieder aufgegriffen wurde. Die Maßnahme wird dort mit hoher Priorität gelistet. Passiert ist dennoch nicht viel.

2017 musste in Hagen eine erneute Messung der Lärmbelastung durch den Straßenverkehr, eine Lärmkartierung, stattfinden. Dabei kam heraus, dass 9.759 Menschen in Hagen in Bereichen mit der höchsten Belastungskategorie, einer durchschnittlichen Belastung über 75 Dezibel, leben. Von diesen wohnen wiederum 2.643 nicht an Hauptverkehrsstraßen (Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen). Und zu dieser Kategorie zählen bereits Dezember 2013 auch die gesamte Buschey- und Eugen-Richter-Straße – zuvor waren sei eine Landesstraße.

Das bedeutet, dass in allen Häusern entlang dieser Straßen eine dauerhafte durchschnittliche Lärmbelastung besteht, die lauter als eine Waschmaschine im Schleudergang ist. Zum Vergleich: Ein Fernseher in Zimmerlautstärke hat einen Schalldruck von etwa 65 db – und gefühlt bedeuten jede weitere 10 db eine Verdopplung der Lärmbelastung. 

Plötzlich war es leise

Die letzte Kartierung ist nun wieder drei Jahre her. Drei Jahre, in denen weiterhin nichts passiert ist – bis vor wenigen Monaten. „Durch die geöffnete Bahnhofshinterfahrung und als das mit Corona losging, nahm der Verkehr ab und wir merkten auf einmal, dass der Lärm auch deutlich weniger wurde“, erzählt Britta Faust. Und nicht nur ihr ging es so: „Da geht man spazieren und trifft Leute und dann heißt es immer wieder: Ist das hier nicht schön leise geworden? Und da habe ich gedacht, da muss jetzt mal was passieren.“ Also machte sie sich ans Werk und schrieb alle Hagener Parteien an, was sie von dem Thema Tempo 30 in dem Bereich halten würden. Mit ernüchterndem Ergebnis, denn es kamen nur zwei Antworten: „Herr Schulz schrieb mir, er würde den Bezirksbürgermeister darauf ansprechen – da kam dann aber nie mehr was.“ Und Wolfgang Jörg von der SPD meldete sich, „das sei eine tolle Idee.“ 

In dem 089wehringhausen-Fragebogen an die Wehringhauser Kandidat:innen zur Kommunalwahl gab die SPD dann schon die Geschwindigkeitsreduzierung auf Eugen-Richter- und Buscheystraße als eines ihrer politischen Ziele für unser Viertel an. Und gesagt, getan, stand das Thema nun vergangene Woche Mittwoch, 25. November, auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung Mitte. 

„Als ich davon hörte, hab ich gedacht, da müssen wir sofort auftauchen“, packte Britta Faust nun endgültig der Aktionismus. „Jetzt ist die Gelegenheit, was zu tun!“ Also stellte sie ein kurzes Handout mit Gründen für eine Geschwindigkeitsbegrenzung zusammen und machte sich auf zur Sitzung.

Mit einem absolut überraschenden Erfolg, denn obwohl die FDP als einzige Fraktion im Plenum noch Bedenken zu dem Vorhaben äußerte, war das Abstimmungsergebnis schließlich einstimmig: Mit insgesamt 17 Stimmen gaben alle Abgeordneten von SPD, CDU, Grünen, AfD, Hagen Aktiv, FDP, Linke und Die PARTEI dem Vorhaben ihre Zustimmung.

Verhaftet in der Vergangenheit

Doch damit ist eine Umsetzung noch nicht gegeben, wie die Stadtverwaltung deutlich machte. Denn trotz der mittlerweile durch die Bahnhofshinterfahrung gegebenen Möglichkeit, Wehringhausen auf dem Weg zwischen Haspe und Innenstadt, Altenhagen oder Eilpe in alle Richtungen bequem zu umfahren, wittert man bürokratische Hürden. Schließlich sei die Regelgeschwindigkeit in einer deutschen Innenstadt bei 50 km/h – und das ändert auch eine politische Entscheidung vor Ort zunächst nicht.

Allerdings will sich Jörg Meier, SPD-Fraktionsvorsitzender in der BV Mitte, damit nicht zufriedengeben. „Wir leben grade auch in Hagen in einer Übergangsphase, in der wir verschiedene Dinge zusammenbringen wollen. Wir haben hier nicht nur das Thema Lärm, sondern auch das Thema gleichberechtigter Verkehre im Straßenraum und damit verbunden auch das Thema Sicherheit.“ Das alles wirke unmittelbar auf die Menschen an Buschey und Eugen-Richter-Straße ein. Eine Veränderung rufe aber natürlich auch die Menschen auf den Plan, die in alten Strukturen verhaftet seien. „Doch das sind in erster Linie die Autofahrenden“, so Meier. „Die haben natürlich die Streckenführung verinnerlicht, dabei ertappe ich mich auch immer mal wieder selber. Schwupps, ist man wieder auf der Buscheystraße und quält sich zum Bergischen Ring.“ Dabei gäbe es ja nun die Bahnhofshinterfahrung, die viel des Verkehrs abnehmen kann. „An diese Strecke muss man sich aber neu gewöhnen.“

Das obere Wehringhausen sei wunderschön, ist Meier überzeugt. „Wo kann man noch so wohnen in Hagen?“ Es würde sich also lohnen, mehr zur Lebensqualität der Menschen dort beizutragen. Dazu würde auch eine Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr zählen. „Aber das bekommt man in Hagen nur hin, wenn man das Geschwindigkeitsniveau insgesamt so senkt, dass sich Fahrräder gefahrloser neben den Autos bewegen können.“

Doch auch die Gesetze würden noch in alten Gedankenstrukturen stecken. „Wir haben als Kommune wenig Möglichkeiten, die Straßenverkehrsordnung zu ändern.“ Dennoch sieht Jörg Meier viele Möglichkeiten und gute Argumente für eine Geschwindigkeitsreduzierung und hofft nun darauf, dass die Stadtverwaltung mit diesen bei der Bezirksregierung in Arnsberg – die das letzte Wort in der Sache hat – auf offene Ohren trifft.