Während die Infektionszahlen in weiten Teilen Deutschland stetig sinken – auch in NRW und dem Ruhrgebiet liegen viele Großstädte mittlerweile unter 100 –, blieben sie in Hagen zuletzt stetig auf einem hohen Niveau. Durch mehrere Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen stiegen sie nun seit gestern sogar wieder über der Grenze von 200. Dennoch tut sich die Stadt bei der Einführung erweiterter Schutzmaßnahmen schwer.

Viele Städte mit deutlich gesunkenen Infektionszahlen hielten konsequent an verschärften Schutzmaßnahmen fest und lockerten diese zwischenzeitig kaum. So gilt etwa in Münster, das mit einer Inzidenz unter 35 einen Wert erreicht hat, wie Hagen nicht mehr seit September, weiterhin in weiten Teilen der Innenstadt eine verschärfte Maskenpflicht. In Köln (73,6) müssen unter anderem Masken nicht nur in Fußgängerzonen getragen werden, sondern stadtweit in allen Einkaufsstraßen. Nicht so in Hagen: Hier wurde die Maskenpflicht unmittelbar mit Eintreten des „Lockdowns“ bereits im Dezember gekippt – man hielt sie für nicht verhältnismäßig.

Stadt hinterfragt Werte

Und auch die jetzt wieder enorm hohen Infektionszahlen sorgen bei unserem Bürgermeister Erik Schulz für Skepsis: „In einer mehrstündigen Sitzung haben wir uns intensiv mit dem aktuellen Infektionsgeschehen und dessen Eindämmung auseinandergesetzt“, wird Schulz in einer Stellungnahme der Stadt zitiert. „Uns ist es wichtig, nicht blind populäre Maßnahmen zu übernehmen, die keinen Bezug zu den Neuinfektionen in unserer Stadt haben.“ 

Ausgangssperren oder Einschränkungen des Bewegungsradius hält das gewählte Stadtoberhaupt für nicht sinnvoll: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Maßnahmen bezüglich des aktuellen Pandemiegeschehens in Hagen keine Wirkung entfalten werden. Gleichwohl werden wir beide Maßnahmen auch noch einmal mit dem Land erörtern.“

Generell hinterfragt der Hagener Krisenstab überhaupt die Aussagekraft der Inzidenzwerte. Diese würden durch das unterschiedliche Testverhalten in den Kommunen und Kreisen bestimmt. In Hagen, wo man im Gegenzug zu den meisten anderen Kommunen ja auch weiterhin an einer Trennung der Gestorbenen in „an“ und „mit“ praktiziert (die ausschließlich nach Kriterien des Gesundheitsamtes erfolgt), sei man „hinsichtlich des Infektionsschutzes sehr gründlich“. Enge Kontaktpersonen würden beispielsweise zweimal getestet, damit spätere Infektionen nicht unerkannt bleiben.

Impfen im Blick

Die massiven Verzögerungen bei den Impfungen in Hagen – seit Tagen wurde in unserer Stadt kaum bis gar nicht geimpft – hat der Krisenstab im Blick. Oberbürgermeister Schulz dazu: „Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Organisation der Impftermine vor einer riesigen Herausforderung stehen. Gleichwohl darf es nicht sein, dass unsere Bürgerinnen und Bürger durch Kommunikationsdefizite bei dem Versuch, einen Impftermin zu vereinbaren, im Regen stehen gelassen werden. Hier muss klar nach außen kommuniziert werden, warum und wie lange es zu Verzögerungen kommt!“

Diese Maßnahmen könnten kommen

Um die Zahl der Neuinfektionen in Hagen zu senken, hat der Krisenstab heute dennoch einige Maßnahmen beschlossen. Diese müssen nun mit dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium abgestimmt werden, bevor sie in Kraft treten können.

Isolation bei Heim-Aufnahme

Wer neu in einem Pflegeheim oder einer anderen Betreuungseinrichtung aufgenommen wird (ob aus dem häuslichen Umfeld oder einem Krankenhaus), soll für sieben Tage in Isolation. Anschließend erfolgt ein Test auf COVID-19.

FFP2-Pflicht für Pflegepersonal

Pflegepersonal der Voll- und Teilzeitpflege, Beschäftigte von ambulanten Pflegediensten sowie Beschäftigte in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe (Wohnheime für Menschen mit Behinderung) sollen unabhängig vom unmittelbaren Kontakt mit den zu betreuenden Personen und unabhängig von der Einhaltung eines Mindestabstands zum Tragen einer FFP2-Maske verpflichtet werden.

Mehr Test in Einrichtungen für Behinderte

Um die Ausbreitung von Infektionen in Werkstätten und Wohnstätten für Menschen mit Behinderung künftig zu verhindern, sollen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetztes die Testintervalle erhöht werden. 

Maskenpflicht am Hauptbahnhof

Von montags bis samstags zwischen jeweils 7 und 22 Uhr soll rund um den Hagener Hauptbahnhof wieder eine allgemeine Maskenpflicht eingeführt werden. Diese würde auf dem Berliner Platz (Bahnhofsvorplatz), am Graf-von-Galen-Ring von Bahnhofstraße bis Martin-Luther-Straße sowie in der Bahnhofstraße von Graf-von-Galen-Ring bis Stresemannstraße gelten.

In der Innenstadt sieht die Stadt Hagen weiterhin keine Grundlage, eine Maskenpflicht anzuordnen, da Passant:innen hier genug Möglichkeiten hätten, Abstand zueinander einzuhalten. 

Maskenpflicht im Einzelhandel

Für Angestellte im Einzelhandel soll eine allgemeine Maskenpflicht eingeführt werden. Diese solle unabhängig von der Einhaltung eines Mindestabstands und unabhängig von einer Abtrennung durch Glas oder Plexiglas gelten.

Trauerfeiern mit weniger Leuten

Die Anzahl der an einer Bestattung oder einem Totengebet unter freiem Himmel teilnehmenden Personen soll auf 30 reduziert werden. Kinder bis zu einem Alter von einschließlich 14 Jahren werden dabei nicht mitgezählt.