Bundestagswahl: So wurde gewählt, Teil 2 – Hagen und Wehringhausen

Wahlschein Bundestagswahl 2021
(Foto: Mika Baumeister/Unsplash)

Im ersten Teil meines Rückblicks auf die Bundestagswahl habe ich die Gesamtergebnisse in Deutschland und NRW angeschaut. Außerdem habe ich mich noch mit unserem Wahlkreis 138 beschäftigt, zu dem neben Hagen auch Breckerfeld, Gevelsberg, Ennepetal und Schwelm gehören.

Nun geht es weiter mit einem zweiten Teil, den ich ganz Hagen widme: Wie hat unsere Stadt gestimmt? Was sind die großen Gewinner und Verlieren? Wie haben die „kleinen“ Parteien abgeschnitten? Dazu schaue ich mir nicht nur die Stadt in ihrer Gänze an, sondern auch die einzelnen Stadtbezirke und natürlich ganz besonders auch den Stadtteil Wehringhausen, der immer wieder für überraschende Ergebnisse gut ist.

Hagen: Großer Erfolg für die Grünen

Von 127.926 wahlberechtigten Personen in Hagen nahmen 88.648 die Möglichkeit in Anspruch, einen neuen Bundestag mitzuwählen. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 69,3 Prozent. 2017 gingen von 132.850 Wahlberechtigten noch 93.998 oder 70,75 Prozent in unserer Stadt zur Bundestagswahl.

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Erststimmen

Neben einer reinen Symbolwirkung haben die Erststimmen außer für die Person mit den meisten Stimmen kaum eine Bedeutung. Neben Direktkandidat Timo Schisanowski (SPD) werden über die Landesliste, also die Zweitstimmen, auch Janosch Dahmen (Grüne) und Kathrin Helling-Plahr (FDP) in den Bundestag einziehen bzw. ihre dortigen Sitze behalten. Der Wahlkreis 138 wird somit von gleich drei Abgeordneten in Berlin repräsentiert, die im Falle einer Ampelkoalition sogar indirekt an der Regierung beteiligt wären.

SPD gewinnt – und verliert

Seit 1961 wurde in Hagen bei noch keiner Bundestagswahl das Direktmandat nicht von der SPD geholt. So auch in diesem Jahr: Timo Schisanowski lag nicht nur im gesamten Wahlkreis 138 vorne. Auch in Hagen konnte er mit 31,6 Prozent deutlich gewinnen: Während bundesweit die SPD 3,9 Prozent mehr Erststimmen als die CDU bekam, waren es in Hagen sogar ganze 5,2 Prozent Unterschied.

Allerdings ist es nur auf den ersten Blick ein derart souveräner Sieg. Denn vergleicht man das Ergebnis mit der Wahl vor vier Jahren, zeigt sich – ganz im Gegensatz zum Bundestrend – ein deutlicher Rückgang der SPD-Erststimmen in Hagen. René Röspel, Schisanowskis Vorgänger in Berlin, kam 2017 noch auf 40,1 Prozent. Der bei der Hagener Bevölkerung überaus beliebte Röspel unterlag in einer Abstimmung der lokalen Genoss:innen über die Kandidatur mit nur einer Stimme seinem Konkurrenten aus Haspe.

Gewinne und Verluste

Doch auch die CDU musste Erststimmen einbüßen. Kam die Hagenerin Cemile Giousouf 2017 auf 28,5 Prozent der Erststimmen, musste sich Christian Nienhaus mit 26,4 Prozent begnügen. Zulegen konnte hingegen Kathrin Helling-Plahr von der FDP: 7,6 Prozent bei der Wahl 2017 auf 9,4 Prozent im Jahr 2021. Die AfD sank ein wenig in der Hagener Wähler:innengunst auf 11,3 Prozent für Andreas Geitz (2017: 12,3 Prozent für Michael Eiche). Die Linke rutschte von 5,4 Prozent mit Ralf Sondermeyer auf 3,5 Prozent mit Ingo Hentschel ab.

Ein absolutes Rekordergebnis holten die Grünen: 2017 wählten nur 3,5 Prozent der Menschen in unserer Stadt die grüne Kandidatin Karen Haltaufderheide. In diesem Jahr gingen hingegen stolze 12,4 Prozent an Janosch Dahmen.

Bei den Sonstigen sicherten sich drei „Neulinge“, deren Parteien erstmals Direktkandidat:innen in Hagen stellten, die vorderen Plätze. Athanasios Sarakatsanos (Die Partei) kommt auf immerhin 2,1 Prozent, Sara Buscher (Freie Wähler) auf 1,6 Prozent und Markus Effenberger (Die Basis) auf 0,9 Prozent.

Der parteilose Einzelkandidat Michael Tropp erhielt 0,8 Prozent (2017: 2,4 Prozent) und das Schlusslicht bildet Reinhard Funk (MLPD), den 0,2 Prozent wählten (2017: 0,2 Prozent).

Zweitstimmen

Bei den wichtigen Zweitstimmen sind Gewinne und Verluste in Hagen etwas anders verteilt. Auch hier büßt die CDU deutlich Stimmen ein, die SPD legt hingegen zu. FDP und AfD verlieren leicht, die Linke deutlich. Den stärksten Zuwachs verzeichnen erneut die Grünen. Aber auch die „Sonstigen“ wurden viel mehr gewählt.

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In der Grafik ist zu beachten, dass einige Gruppen 2021 zum erstmals bei einer Bundestagswahl auf dem Wahlzettel in Hagen standen und deshalb eventuell besonders hohe Zuwächse verzeichnen: Die Basis, Bündnis C, du., Liebe, LKR, PdF, LfK, Team Todenhöfer und Volt. Andere, die 2017 noch dabei waren, sind in diesem Jahr nicht mehr angetreten und haben entsprechend ihren gesamten Stimmenanteil eingebüßt: DM, BGE, ADD und Volksabstimmung.

Die Hagener Bezirke: Blau statt Grün

Konnten sich die Grünen deutschlandweit souverän als drittstärkste Partei positionieren und auch in NRW sogar eine Direktmandate holen, sah es in Hagen schon knapper aus. Trotz des überragenden Stimmengewinn liegt die Ökopartei doch nur minimal vor der neoliberalen FDP und der rechtsextremen AfD. Letztere ist allerdings in ganz Hagen nicht mehr wie 2017 dritt-, sondern nur noch fünftstärkste Kraft.

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Ganz anders sieht es jedoch in den einzelnen Hagener Stadtbezirken aus. Zwar liegt auch hier überall die SPD an der Spitze, mit weitem Abstand gefolgt von der CDU. Die Grünen jedoch landen nur im bevölkerungsstärksten Bezirk Mitte (Innenstadt, Wehringhausen, Altenhagen sowie Oberhagen) souverän auf dem dritten Platz, in Hohenlimburg (inkl. Lennetal und Halden) schaffen sie es nur mit der zweiten Nachkommastelle ganz knapp vor die FDP.

Der Hagener Norden (Boele, Boelerheide, Eckesey, Fley, Garenfeld, Helfe, Hengstey und Vorhalle) hingegen wählt braun blau: Die AfD landet deutlich vor der FDP, die Grünen kommen auf weniger als 10 Prozent. Auch Haspe gibt sich völkisch: Ganz im Hagener Westen kommt die AfD auf 12 Prozent, deutlich vor Grünen und FDP. Und in Eilpe/Dahl holt die selbsternannte Alternative mit kleinem Abstand vor Grünen und FDP ebenfalls Platz 3.

Die Hochburgen

Die SPD bekam in ganz Hagen die meisten Stimmen – doch nirgendwo so viele wie an der Harkortstraße am Spielbrink in Haspe. Dort machten 44 Prozent der Wählenden ihr Kreuz bei der SPD. Im benachbarten Wahllokalen Ähren- und Twittingstraße sowie im zugehörigen Briefwahlbezirk inkl. Baukloh sah es dann aber schon nicht mehr ganz so überragend aus für die Genossen. Ebenfalls mehr als 40 Prozent holten die Sozialdemokraten am Wachtelweg in Elsey sowie in den Briefwahlbezirken 8024 – dieser umfasst weite Teile von Vorhalle, aber auch von Eckesey und, völlig absurd, Herbeck am anderen Ende der Stadt – und 8035, der neben Teilen des Spielbrinks und Hasper Zentrums im Westen der Stadt auch Priorei ganz weit im Hagener Südosten repräsentiert.

Sowieso, die Briefwahlbezirke: Da auch in Hagen ein erheblicher Teil der Stimmen bei der Briefwahl abgegeben wurde, hat diese Auflistung der Hochburgen allenfalls anekdotische Relevanz. Denn die Briefwahlbezirke scheinen teilweise komplett willkürlich und ohne jede Logik zusammengewürfelt, vereinen ganz unterschiedliche Wohngegenden und überschreiten regelmäßig Stadtteilgrenzen – was auf der statistischen Mikroebene zu einigen Interpretationsproblemen führt. Doch aus Spaß an der Freude sei die Liste dennoch fortgeführt.

Ihr niedrigstes Ergebnis holt die SPD mit 20,7 Prozent an der Bredelle, also unweit der Fernuni (Hotspot der FDP). Unter 25 Prozent der Zweitstimmen bekam sie sonst nur noch am Funckepark, in Ambrock und am Höing.

Die CDU punktet hingegen besonders an der Fleyer Straße mit 36,01 Prozent und fährt an der Feuerwache Mitte in Wehringhausen mit nur 9,6 Prozent ihr schlechtes Ergebnis ein. Die Hochburg der Grünen liegt dann folgerichtig auch nur wenige Meter weiter an der St.-Michael-Kirche: 21,8 Prozent der Zweistimmen, wo die CDU ihr zweitschlechtestes Ergebnis (9,9 Prozent) bekommt. Auch am Höing kommen die Grünen über 20 Prozent. Nix mit Grün an der Mütze haben sie dagegen in der SPD-Hochburg Harkortstraße: 3,2 Prozent. So ein niedriges Ergebnis hat außer den Linken keine der anderen „großen“ Parteien in keinem Wahlbezirk! Ansonsten schneiden die Grünen besonders dort schlecht ab, wo die AfD viele der direkt abgegebenen Stimmen holt.

Die FDP punktet besonders an der Bredelle im Hochschulviertel (19,1 Prozent), an der Wesselbachstraße in Hohenlimburg (18,3 Prozent) und an der Lüzowstraße im Klosterviertel (16,2 Prozent). Nur am Wilhelmsplatz kommen die Liberalen – ungerundet – unter fünf Prozent (4,97 Prozent).

Die AfD hat mehr als jede:r Fünfte an der Steinhausstraße in Kabel (22 Prozent), am Oedeweg in Haspe (20,7 Prozent), im Nahmertal in Hohenlimburg (20,3 Prozent), an der Dickenbruchstraße in Westerbauer (20,1 Prozent) und an der Knüwenstraße in Boele (20,1 Prozent) gewählt. Unter fünf Prozent liegt die Partei mit dem rassistischen Programm nur in zwei Hagener Briefwahlbezirken. Bei den Wahllokalen holt sie mit 5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der CDU-Hochburg an der Fleyer Straße.

Die Linke schließlich kommt in keinem Wahlbezirk über zehn und nur in drei Bezirken über neun Prozent. Besonders gut schneidet sie in Wehringhausen ab: am Wilhelmsplatz (9,9 Prozent), der Södingstraße (8,9 Prozent) und der Grünen-Hochburg St.-Michael-Kirche (9,4 Prozent).

Wehringhausen: Eine Wundertüte

Und damit kommen wir auch schon zum letzten Kapitel dieser Analyse, nämlich dem Abschneiden der unterschiedlichen Parteien in Wehringhausen. Wobei es dabei auch zu den weiter oben bereits erwähnten Problemen mit den Briefwahlbezirken kommt, die eine exakte Analyse deutlich erschweren. Nicht einmal eine Wahlbeteiligung für das ganze Viertel lässt sich so sinnvoll errechnen.

Wahlbezirke in Wehringhausen und am Kuhlerkamp

Wehringhausen und Kuhlerkamp bestehen aus neun Bundestagswahlbezirken: Minervastraße (1091), St.-Michael-Kirche (1092), Stadtgarten (1093), Sternwarte (1094), Cunosiedlung (1101), Kuhlerkamp (1102), Wehringhauser Straße/Philippshöhe (1103), Södingstraße (1104), Feuerwache Mitte (1105) und Wilhelmsplatz (1106).

Diese sind wiederum vier Briefwahlbezirken zugeordnet: 8012, 8014, 8015, 8016. Und bei denen wird es aufgrund ihrer recht beliebigen geografischen Zugehörigkeit kompliziert. Der Bezirk 8014 ist zwar beim Blick auf den Stadtplan etwas unlogisch, doch unproblematisch. Er umfasst Minervastraße, Sternwarte und Cunosiedlung. Auch 8015 macht mit der St.-Michael-Kirche, Kuhlerkamp, Wehringhauser Straße/Philippshöhe und der Södingstraße keine Probleme. Schwieriger wird es bei 8016: Neben Stadtgarten und Wilhelmsplatz hat man hier auch Brockhausen – also das mit dem Auto rund 15 Minuten entfernte Gebiet rund um das Wasserschloss Werdringen in Vorhalle – hinzugefügt. Der Bezirk 8012 ist schließlich völlig absurd: Dieser umfasst den Bereich rund um die Feuerwache Mitte an der Lange Straße und dazu Bissingheim ganz oben auf Emst sowie die Eickertstraße am Remberg.

Ich habe mich entschieden, alle vier Wahlbezirke dennoch aufzunehmen. Ihr könnt euch das ja dann in der Tabelle weiter untern selber auseinander klamüsern, wenn ihr mögt.

Erststimmen

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Auch in Wehringhausen liegen Timo Schisanowski (SPD) und Christian Nienhaus (CDU) an der Spitze der Wähler:innengunst. Jedoch bekommen sie etwas weniger Prozente als im gesamtstädtischen Vergleich. So liegt Schisanowski 0,7 Prozent unter seinem Hagener Wert, Nienhaus sogar 5,4 Prozent. Auch FDP und AfD liegen unter dem stadtweiten Durchschnitt.

Deutlich besser schneidet bei uns im Viertel hingegen der Grüne Janosch Dahmen ab: Er wird von 5 Prozent mehr Wehringhauser:innen gewählt, als von den Hagener:innen insgesamt.

Auch Athanasios Sarakatsanos (Die Partei) liegt mit 3,7 Prozent über seinem stadtweiten Ergebnis von 2,1 Prozent. Markus Effenberger (Die Basis) wird in Wehringhausen ebenfalls etwas mehr gewählt als im Rest der Stadt. Ihren Schnitt halten Sara Buscher (Freie Wähler), Michael Tropp (parteilos) und Reinhard Funk (MLPD).

Zweitstimmen

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Auch die Verteilung der Zweitstimmen in Wehringhausen ist in Wehringhausen etwas anders. Bei den „Großen“ liegt die SPD etwa im stadtweiten Schnitt, die CDU schneidet rund vier Prozent schlechter ab und die Grünen liegen noch einmal beinahe fünf Prozent über ihrem schon sehr guten stadtweiten Ergebnis.

In Hagen liegt die FDP etwas vor der AfD, in Wehringhausen ist es umgekehrt – aber beide erreichen keine zehn Prozent. Die Linke schließlich kommt im Gegensatz zu ihrem Ergebnis in ganz Hagen im Viertel deutlich besser weg und liegt sogar über fünf Prozent.

Außerdem wurden in Wehringhausen mehr „Sonstige“ gewählt – unser Viertel beweist halt Herz für Außenseiter:innen. Am stärksten in dem Block ist „Die Partei“, die immerhin von 2,3 Prozent der wählenden Menschen in Wehringhausen ein Kreuz bekamen. Das ist beinahe das Doppelte ihres stadtweiten Wertes. Auch die „Tierschutzpartei“ schneidet in Wehringhausen gut ab: 1,9 Prozent im Viertel zu 1,8 Prozent in Hagen. Mit 1,2 Prozent liegt das „Team Todenhöfer“ zwar unter dem stadtweiten Ergebnis von 1,4 Prozent, gehört jedoch auch noch zu den „großen Kleinen“. Die Freien Wähler kommen mit 0,7 Prozent genau auf ihren Schnitt.

Am äußersten rechten Rand des Spektrums wählten in Wehringhausen neben den 658 Stimmen für die AfD auch 70 Personen – das entspricht etwa einem Prozent der Wählenden – das aus der sogenannten „Querdenken“-Bewegung entstandene Bündnis „Die Basis“. Die nationalsozialistische NPD bekam 8 Stimmen, genau eine Person wählte die AfD-Abspaltung „Liberal-Konservative Reformer“.

Zweitstimmen in Wehringhausen nach Wahlbezirken

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2 Kommentare

  1. Klasse Artikel und Danke für diese Mühe 😉 – Das ist wahre Arbeit mit Erbsen 🙂 und lässt in vielen Fällen tief blicken, was und wie es in dieser Stadt zugeht.

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