Hagen United kämpft um „Emma“: Trotz guter Integration soll er Deutschland verlassen

Engagement für Emma
Jana Bostelmann (l.) und Kevin Reichmann (r.) engagieren sich für Emmanuel Afriyie (m.). (Foto: Jan Eckhoff)

„Emma ist eine tragende Säule für unseren Verein“, erklärt mir Kevin Reichmann, Trainer der ersten Mannschaft des Fußballvereins Hagen United. Mit Emma meint er Emmanuel Afriyie, der mit uns und Jana Bostelmann, ebenfalls Trainerin bei United, an einem schönen frühsommerlichen Mittwochnachmittag vor der „Rostlaube“ auf dem Sportplatz Waldlust in Wehringhausen sitzt.

Die „Rostlaube“ ist ein alter Überseecontainer, der United als kleines Vereinsheim am Rande des Waldlust-Platzes dient. Der vor drei Jahren aufgestellte Container wurde wie so vieles rund um den 2015 auf Initiative des Hagener Jugendtrainers André Sänger gegründeten Verein durch ein Höchstmaß an ehrenamtlichem Engagement ermöglicht.

Der lange Weg nach Hagen

Fast seit Anfang an dabei bei Hagen United ist auch Emmanuel Afriyie. Der 36-Jährige fand 2015 nach Hagen. „In meiner Heimat Ghana wurde ich verfolgt“, erzählt er von seinem weiten Weg an die Ennepe und fährt fort: „Zunächst war ich drei Jahre in Libyen, wo dann auch Krieg herrschte. Ich wollte zurück nach Ghana, aber das war nicht möglich, also musste ich weiter. In Deutschland war ich erst in Gelsenkirchen in einem Heim und wurde dann nach Hagen gebracht. Ich bin dann in einen Deutschkurs gegangen und habe dort gesagt, ich will Fußball spielen. Meine Lehrerin sagte, sie kennt einen Supertyp der einen Verein hat und da soll ich hingehen.“

Dieser Verein war Hagen United, in dem derzeit Menschen aus 13 unterschiedlichen Nationen spielen und der bei seiner Gründung zunächst als „Flüchtlings-Kicker“ durch die Presse ging. Nach sieben Jahren ist Emmanuel mittlerweile zweiter Vorsitzender, sportlicher Leiter, trainiert zusammen mit Jana Bostelmann die G-Junioren, hat einen Schiedsrichterschein gemacht und spielt vor allem selber im Team „Pöhler I“ des Vereins. Dem Team, das in anderen Vereinen wohl „erste Mannschaft“ heißen würde, gelang kürzlich der Aufstieg in die Kreisliga A – was die Stadt Hagen vor wenigen Tagen sogar mit der Aufstellung eines neuen Wegweisers zum Sportplatz Waldlust an der Eugen-Richter-Straße honorierte, damit auswärtige Teams diesen besser finden. „Vor fünf Jahren haben wir in Kreisliga C begonnen, sind dann in B und jetzt in A aufgestiegen“, berichtet Emmanuel stolz. „Das war viel Mühe, nebenbei bin ich in die Schule gegangen, habe Praktika gemacht, aber es hat mir Kraft gegeben.“

Auch öffentlich blieb Emmanuels Engagement für seinen Verein nicht verborgen, im Jahr 2020 wurde der Spieler mit dem Integrationspreis der Stadt Hagen ausgezeichnet. „Emma ist manchmal deutscher als ich“, lacht Kevin Reichmann. „Der ist mit unserem Vorsitzenden André Sänger sogar mal auf das Oktoberfest gefahren und da in Lederhosen rumgelaufen!“

Als Fachkraft dringend gesucht

Nach einer kurzen Zeit in einem Flüchtlingsheim in Haspe lebt Emmanuel mittlerweile in einer Wohngemeinschaft in Wehringhausen, fühlt sich im Stadtteil zuhause. Kein Wunder, dass dem in Hagen mittlerweile gut integrierten Ghanaer, der nach nur sieben Jahren in unserem Land problemlos deutsch spricht und auch das B1-Sprachzertifikat erlangt hat, auch Handwerksbetriebe gerne ihre Türen öffnen wollen, um ihm eine Möglichkeit auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen.

„In Ghana habe ich Maurer gelernt“, berichtet Emmanuel Afriyie. „Hier hätte ich das gerne weitergemacht, aber ich darf nicht arbeiten. Ich habe auch schon mehrfach ein Praktikum gemacht und alle Firmen wollten mir sofort einen Ausbildungsplatz geben, aber die Behörden haben alles abgelehnt.“ Und diese Angebote bestanden nicht nur für den Moment: Einige Firmen wollen Emmanuel seit mittlerweile vier Jahren unverändert gerne einstellen, darunter ein Dachdecker und eine Gärtnerei – zwei Branchen, die in Deutschland über extremen Nachwuchsmangel klagen. „Die fanden Emma toll, hätten ihn sofort eingestellt. Doch dann kam die Ausländerbehörde und hat einen Strich durch die Rechnung gemacht“, berichtet Kevin Reichmann frustriert.

Jana Bostelmann, die beruflich den Bereich Migration bei der Hagener AWO leitet, erklärt die vertrackte Lage: „Das waren von Seiten der Behörden schon rechtlich nachvollziehbare Gründe, weil Emma zunächst seine Identität bestätigen muss. Dafür fehlen noch Nachweise und deshalb hat die Ausländerbehörde den Antrag auf Ausbildungsduldung abgelehnt. Aber es ist natürlich bemerkenswert, dass wir mehrere Firmen haben, die ihm auch nach Jahren einen Arbeitsplatz freihalten und ihn einstellen wollen, komme was wolle.“ Jetzt sei aber ein Punkt gekommen, so die 32-Jährige, an dem man die Öffentlichkeit einbinden wolle, da mittlerweile fast alle Nachweise zur Identitätsfeststellung beisammen sind.

Ohne Pass keine Arbeit, mit Pass kein Aufenthalt

Und es war ein weiter Weg für Emmanuel, zu beweisen, dass er er ist: „Ich bin zur Botschaft von Ghana in Berlin gefahren. Die haben mir einen Brief gegeben, in dem nur stand, dass sie mir keinen Ausweis ausstellen können. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Burkina Faso, ich bin aber in Ghana geboren. Das Ausländeramt hat dann gesagt, ich muss mich entscheiden, von welchem Land ich einen Pass haben will, denn sie müssen genau wissen, woher ich komme. Mittlerweile ist nach vielen Anrufen klar, dass ich einen Pass aus Ghana bekommen kann.“

Doch das ist ein Problem, denn Ghana wurde 2019 von der Bundesregierung – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – als sogenannter „sicherer Herkunftsstaat“ eingestuft. Wer nicht sicher beweisen kann, dass ihm dort eine Verfolgung droht, hat in Deutschland kein Recht auf Asyl, egal wie gut die Person auch integriert ist und wie schnell und einfach sie im Handwerk als dringend benötigte Fachkraft eine Anstellung finden würde. „Das ist ein totaler Widerspruch in sich“, so Bostelmann. „Damit er arbeiten darf, soll Emma seine Identität beweisen. Sobald er aber seinen Pass abholt, muss er Deutschland verlassen, weil dann keine Gründe mehr vorliegen, die eine Abschiebung verhindern.“

Während wir im Schatten sitzen und uns unterhalten, füllt sich der Sportplatz Waldlust so langsam. Die anderen Spieler der „Pöhler I“ kommen zum Training, es wird fröhlich gegrüßt, insbesondere Team-Mitglied Emmanuel auch sehr herzlich. Es ist klar: Er gehört dazu, ist fester, wichtiger und geliebter Teil dieser Gemeinschaft. Und deshalb wollen Hagen United ihn auch nicht einfach gehen lassen.

Hoffnung auf breite Unterstützung

„Wir bzw. Emma wird nun einen Härtefallantrag stellen“, erklärt Jana. „Er hat alles getan, um seine Identität zu beweisen und eine Arbeit beginnen zu können.“ So ein Antrag kann jedoch nur ein einziges Mal gestellt werden. „Deshalb wollen wir als Verein alles tun, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Emma ist gut integriert, er hat selbstständig ein Sprachzertifikat erworben, er möchte arbeiten und hat Jobangebote – er muss aber Geld vom Staat beziehen oder das Land verlassen.“ 

Mehrere Dutzend Menschen aus dem Umfeld des Vereins haben nun schon Briefe geschrieben, in denen sie erklären, wie wichtig Emmanuel für sie ist, wie sehr sie sein Engagement und seine soziale Art schätzen. Insbesondere hofft das ganze Team nun auch auf Unterstützung durch Verbände aus Hagen, die politischen Parteien und ihre Abgeordneten, vielleicht sogar den Oberbürgermeister – denn trotz Integrationspreis und einer stetigen positiven Erwähnung der guten Arbeit von Hagen United war diese bislang eher gering. „Wir haben zwar zusammen mit einer Partei eine Petition gestartet, die war aufgrund rechtlicher Umstände zunächst aber erfolglos“, schildert Jana Bostelmann die Lage. „Jetzt hoffen wir auf breiten Rückhalt.“

„Was ich total cool fand, als wir unseren Aufruf zur Unterstützung von Emma bei Facebook gepostet haben, hat das Christopher Antwi-Adjei vom VfL Bochum gelikt und geteilt. Der kommt ursprünglich auch aus Wehringhausen und hat ghanaische Wurzeln“, ist der 26-jährige Kevin Reichmann von der bisherigen privaten Unterstützung begeistert. „Emma ist für uns eine wichtige Stütze, er macht hier oben auf dem Platz so viel, wir wollen ihn nicht verlieren.“